Nach 24 Jahren Nikotinsucht habe ich
es tatsächlich geschafft und ich
kann es selbst noch gar nicht
fassen: 55 Tage ohne Zigaretten sind
ins Land gezogen. Ich bin so
glücklich und stolz wie schon lange
nicht mehr in meinem Leben.
Nein, ich habe mir diesen Entzug
nicht zugetraut, ich habe vielmehr
über Jahre gedacht, ich würde das
nie niemals im Leben hinbekommen.
Ich ohne Zigarette? Mission
Impossible. Immerhin waren es
täglich mindestens 20, wenn nicht
gar 30 Zigaretten, die ich "auf
Lunge" geraucht habe. Und für mich
galten eiserne "Regeln", wie eben
für viele Nikotinsüchtige auch.
Regel 1: "Die Zigarette gehört zu
meinem Leben.", Regel 2: "Ohne
Zigarette arbeiten? Ohne Zigarette
telefonieren? Ohne Zigarette Kaffee
trinken, Bier oder ein Glas Wein?
Vergiss es, das ist undenkbar."
Regel 3: "Wer hilft dir bei Wut oder
Kummer, wenn du Halt und
Geborgenheit brauchst? Die
Zigarette." Schließlich aber
brauchte ich diese Regeln nicht
mehr, ich rauchte ganz einfach zu
jeder Gelegenheit. Als Belohnung,
zur Beruhigung, zur Anregung, aus
Langweile, nach dem Essen und so
weiter und so fort, ein Grund oder
Anlass fand sich ja immer.
Was für ein Irrsinn, selbst als mein
kleiner Sohn auf die Welt kam, hörte
ich nicht auf. Heute denke ich oft,
was ich doch für ein egoistisches
Riesenarschloch war! Wie konnte ich
dem Kleinen nur ständig diesen
furchtbaren Qualm zumuten? Als
Passivraucher seit Geburt leidet der
Junge - er ist jetzt 14 Jahre alt
und extrem glücklich über meinen
Sinneswandel! - nun, bis heute
leidet der arme Kerl unter extrem
empfindlichen Bronchien, er hat oft
Ohren- und eitrige
Mandelentzündungen, überhaupt war in
seinen ersten Lebensjahren oft
schlimm erkrankt. Sein Arzt hatte
mir dann bei unseren stets
wiederkehrenden Besuchen natürlich
auch mal so nebenbei gesagt, dass
das Risiko der Hals- Nasen-
Ohrenerkrankungen bei Kindern mit
rauchenden Eltern erheblich
schlimmer sei. Aber er hat es halt
nur mal so erwähnt. Und ich habe
weggehört, ich habe gedacht, ach
Unsinn, der übertreibt, ich wollte
es nicht an mich ranlassen. Einmal
traf ich auf einen Arzt, der wurde
dann allerdings sehr deutlich. Er
sagte, was sie ihrem Kind antun mit
dem Rauchen, das ist unzumutbar. Da
habe ich plötzlich einen Schreck
bekommen. Da hörte ich mich sagen:
"Ja, ich sollte besser
aufhören damit."
Aber wie ich das machen bzw schaffen
soll, nein, da wusste der Arzt
leider auch keinen Rat. Er meinte,
das sei schlicht eine Frage des
Willens, eine Frage der inneren
Disziplin.
Heute weiß ich, dass der Mann im
Ansatz richtig lag. Klar, ohne den
eigenen inneren Antrieb wird kein
süchtiger Mensch von der Droge
Nikotin loskommen. Aber viele
Nikotinsüchtige wollen es schaffen,
sie versuchen es auch, werden aber
wieder rückfällig und fallen in ein
tiefes Loch aus Mutlosigkeit,
Frustration und Verdrängung. Ich
finde, es sollte viel mehr
Anlaufmöglichkeiten geben, Gruppen,
Kurse und Beratungseinrichtungen für
Menschen, die sagen: "Ich will
aufhören, weiß aber nicht, ob und
wie ich das schaffen soll".
Nun zu meinen Erfahrungen. Ich habe
es geschafft, weil ich 3 wesentliche
Dinge in meinem Leben rigoros
verändert habe. Punkt 1: Ich habe
aufgehört, mich selbst zu belügen.
Ich habe innerlich reinen Tisch
gemacht. Das klingt irgendwie
komisch, aber ich finde keine
anderen Wort dafür. Ich habe mir
mein Leben angesehen und mich
gefragt, was läuft da eigentlich ab?
Warum ist dein Sohn ständig krank?
Warum stinkt es in deiner Wohnung
wie in einer Kneipe? Warum schaffst
du es nicht mehr, eine Runde zu
joggen, ohne Herzstiche zu bekommen?
Und so weiter. Mit anderen Worten:
Ich war auf brutale Weise ehrlich zu
mir selbst. Und ich habe bei den
Antworten in den Spiegel gesehen, in
den Abgrund meines Ichs. Und dabei
habe ich gedacht, Scheiße, das ist
ja alles so schlimm, das kann ich
gar nicht mehr ändern, das schaffe
ich nicht, das halte ich nicht
aus. Da genau da kam Punkt 2 ins
Spiel: Punkt 2 war die Einsicht,
dass ich mich selbst aushalten muss.
Ich habe mir gesagt, komme jetzt was
wolle, ich halte das aus, ich halte
alles, was mit dem Entzug
zusammenhängt, aus und ich gehe da
durch. Hinsehen. Nicht weglaufen.
Nicht zudröhnen. Nicht flüchten. Es
aushalten. Nicht aufgeben. Und da
hatte ich plötzlich die Kraft, die
Kraft es zu versuchen. ich habe mir
gesagt, okay, jetzt keine großen
Ziele setzen, nichts langfristiges,
sondern jeden Tag einzeln kämpfen,
erkämpfen, gegen die Sucht
ankämpfen. Und ich hielt mich aus.
Ich war wütend, ich heulte, ich
hatte Anflüge von Glück und Ekstase,
dann ging es wieder in den Keller,
ich hielt es aus. Jeder Tag ohne
Nikotin wurde zu einem kleinen Sieg.
Und es ist für mich bis heute ein
Wunder, jeder einzelne Tag ohne
Zigarette ein Tag der Lebensfreude.
Punkt 3: Ich habe mich von einem
"Freund" getrennt, der in
Wirklichkeit gar kein Freund war,
sondern ein Mensch, der mir nicht
gut getan hat. Es war eine
schmerzhafte Befreiung. Es war ein
Abschied nach zehn Jahren. Dieser
Mensch raucht bis heute, er wird
auch niemals damit aufhören. Er
hätte versucht, mich davon
abzuhalten, mit dem Rauchen Schluss
zu machen, nein, nicht direkt, aber
mit kleinen Tricks.
Erwähnen möchte ich abschließend,
dass ich in der ersten Woche eine
Packung
Nikotinpflaster geklebt
habe. Das hat mir am Anfang sehr
geholfen, aber nach dieser einen
Woche wusste ich, ich schaffe es
auch ohne Nikotin im Blut. Die
nächsten Tage waren anstrengend aber
wie gesagt, ich hielt mich aus. In
der dritten Woche wurde ich schwer
krank. Ich hatte das erste Mal in
meinem Leben eine richtige Grippe.
Komisch, dabei lebte ich doch so
gesund! Das kann ich mir bis heute
nicht erklären. Diese Grippe war so
heftig, ich konnte mich kaum noch
bewegen. Nach etwa 10 Tagen konnte
ich endlich wieder aufstehen. Ich
war total geschwächt und wacklig auf
den Beinen. Nun aber ist alles
wieder okay und ich fühle mich
sauwohl in meiner Haut. An das
Rauchen denke ich oft. Meist, wenn
ich in die Wohnung komme. Dann gehe
ich ins Wohnzimmer und strahle wie
ein Honigkuche
npferd. Was für eine
gute Luft!
Ich wünsche allen ehemaligen
Rauchern, die jetzt Nichtraucher
sind, sie mögen ewig clean bleiben.
Ich bete, dass mein Sohn niemals
rauchen wird und dass ich nie wieder
rückfällig werde.
Stefanie